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TALKING TO GERMAINE ACOGNY

Photo: Margareta von Klenze
Photo: Margareta von Klenze

At TANZ Bremen #20 the senegalese dancer and choreographer Germaine Acogny performed her piece SOMEWHERE AT THE BEGINNING (À UN ENDROIT DU DÉBUT), in which she remembers her past and that of her ancestors in a moving, intimate production. 

Before the Germain premiere on Thursday night, she talked to us about her work, her beginnings in dancing, and her motivation to create the piece. 

Sie werden immer wieder die „Mutter des zeitgenössischen afrikanischen Tanzes“ genannt. Wie kommen Sie zu diesem Titel?                

Bereits 1968 eröffnete ich mein erstes eigenes Studio in Dakar und entwickelte als erste in Afrika eine Tanzform, die über die traditionellen Tänze hinaus ging. Schon lange suchte ich nach neuen Ausdrucksformen auf der Basis der traditionellen Tänze. Ich war in meiner Generation die erste, die über einen zeitgenössischen afrikanischen Tanz nachdachte und eine eigene Technik entwickelte. Auch in Frankreich war ich an der Weiterentwicklung des zeitgenössischen afrikanischen Tanzes beteiligt. Zudem habe ich ein Buch über afrikanischen Tanz geschrieben und meine „Ecole des Sables“ gegründet. All das, und noch einiges mehr, kommt zusammen, und so kam es irgendwann zu diesem Titel.

 

 Was bedeutet für Sie die Bezeichnung „Zeitgenössischer Afrikanischer Tanz“?

Es geht um die Entwicklung eines Tanzes von heute, bei dem der Bezug zur Tradition, also zu den traditionellen Tänzen, gewahrt wird. Dies versuchen wir auch, den Tänzern zu vermitteln, die zu uns in die „Ecole des Sables“ kommen. Eine Aufnahmebedingung ist, dass sie ihre traditionellen Tänze beherrschen. Der zeitgenössische afrikanische Tanz unterscheidet sich somit klar vom zeitgenössischen europäischen Tanz.

 

Ist ein universeller zeitgenössischer Tanz vorstellbar?

Wozu eine solche Marmelade kreieren? Wir sind alle unterschiedlich. An dem Tag, wo wir alle gleich sind, ist es besser, zu sterben. Es gibt schon genügend Mischmasch. Die Unterschiedlichkeit ist interessant, diese Art von Gleichmacherei interessiert mich nicht.

 

Sie haben auch eine eigene Tanztechnik entwickelt. Können Sie dazu etwas erzählen?

Meine Technik ist eine Synthese aus verschiedenen Tanzstilen, da ich sowohl in afrikanischem als auch in westlichem Tanz ausgebildet bin. Daraus habe ich eine eigene Technik entwickelt mit über 60 verschiedenen Bewegungen. Jede Bewegung hat ihren eigenen Rhythmus. Ein wesentliches Element meiner Technik ist die Arbeit mit der Wirbelsäule. Alle Bewegungen sind sehr stark mit der Energie der Wirbelsäule verbunden.

 

In Ihrer Technik geht es viel um die Anbindung an Natur und Kosmos. Wie lässt sich das mit dem alltäglichen westlichen Lebensstil vereinen, in dem die Natur eine immer geringere Rolle spielt?

In jedem von uns gibt es einen Bezug zum Kosmos. Jeder Körper enthält die Sonne, den Mond und die Sterne. Wenn eines davon aufhört, zu strahlen, ist das eine Katastrophe. Ich versuche meinen Schülern beizubringen, diese Verbindung zu halten – im Tanz, aber auch im täglichen Leben. Ich versuche, diese Bezüge durch Bilder für meine Schüler zu veranschaulichen. Hier in Europa gibt es andere Bezüge, aber wenn man sich entschieden hat, dass diese Bezüge wichtig sind, lassen sie sich auch hier herstellen.

 

Können Sie etwas über die von Ihnen gegründete „Ecole des Sables“ erzählen?

Mein Mann Helmut und ich haben die Schule 1996 zusammen in Senegal gegründet. 1998 veranstalteten wir den ersten Workshop, da gab es noch keine Gebäude, gar nichts. Der Unterricht fand unter freiem Himmel, im Sand oder am Strand statt. Und dann war zufällig ein Fernsehteam von arte dort. Sie haben uns gefilmt, und den Film, der in der Sendung „Metropolis“ ausgestrahlt wurde, haben sie „L‘Ecole des Sables“ genannt. Sie haben uns zu diesem Titel inspiriert.

 

Normale Tänzerkarrieren sind mit 40 Jahren in der Regel vorbei. Sie sind über 70 Jahre alt, und Sie tanzen noch immer. In einem Interview haben Sie gesagt, Sie werden tanzen, bis sie sterben. Ist die Kraft und Vitalität Ihres Körpers für Sie eine Selbstverständlichkeit?

Ich und Helmut glauben daran, dass es bestimmte Kräfte gab, die entschieden haben, dass wir diese Schule ins Leben rufen sollen. Wir haben 20 Jahre gebraucht, um das Projekt zu realisieren. Ich habe mich lange ‚in den Dienst‘ gestellt – zuerst in den meiner Familie, meiner Kinder, und dann in den Dienst der Tänzer in Afrika. Nun ist die Zeit gekommen, in der ich mich auf eine andere Weise selbst verwirklichen möchte. Ich möchte mehr das machen, worauf ich Lust habe. Aber ich habe durchaus auch Probleme mit meinem Körper: Ich habe Arthrose, meine Knie sind nicht in bestem Zustand, meine Schulter schmerzt. Aber ich tue alles dafür, dass ich das noch weiter machen kann. Ich habe die Gabe, mich anzupassen an das, was möglich ist, so auch in meinem neuen Stück.

 

Wie ist Ihr Verhältnis zur Vergangenheit, Ihrer Geschichte?

Meine Vergangenheit hatte sicherlich einen starken Einfluss auf meine Gegenwart, sogar auch auf die Zukunft. Ich hatte keine glückliche Kindheit, und auch meine erste Heirat war keine schöne. All das hat aber meine Persönlichkeit geschmiedet und mir Kraft gegeben, das zu sein, was ich heute bin. Ich versuche, das Positive im Blick zu haben. Ich habe immer wieder Menschen getroffen, die mir geholfen oder dazu beigetragen haben, dass ich das bin, was ich heute bin – und damit bin ich zufrieden.

 

Was hat Tanz früher für Sie bedeutet, und was bedeutet er heute für Sie?

Ich durchquere mein Leben tanzend. Das war schon immer so, es gibt keinen Unterschied zwischen früher und heute.

 

 

Interview by: Michael Ludwig Tsouloukidse